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Stellungnahme zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative

  • Autorenbild: Luzern Enlightment
    Luzern Enlightment
  • 26. Aug. 2022
  • 12 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 31. Aug. 2023


 

An die nationalrätliche Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur z.H. Herrn Fabien Fivaz, Kommissionspräsident familienfragen@bsv.admin.ch


 

Luzern, 06. September 2022


Stellungnahme zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative 21.403 n WBK-NR «Überführung der Anstossfinanzierung in eine zeitgemässe Lösung»

Guten Tag Herr Kommissionspräsident, einen fröhlichen Tag liebe Damen und Herren, Die Menschheit von heute wird mit Methoden von gestern sicherlich nicht die Probleme von morgen lösen können.” Willy Meurer Ich nutze mit grosser Freude und tiefen, herzlichen Engagement die Möglichkeit, im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens zum Vorentwurf des Bundesgesetzes über die Unterstützung der familienergänzenden Kinderbetreuung und der Kantone in ihrer Politik der frühen Förderung von Kindern (UKibeG), Stellung zu nehmen. Als ich die Erzieherausbildung im Jahre 2000 begann, wurde mir sehr schnell bewusst, dass der Fokus für mich auf der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung (BBuE) liegen wird, denn das unerschöpfliche Potenzial und die Wichtigkeit dieser Entwicklungszeit ist meiner Wahrnehmung und Erfahrung nach einer der grundlegendsten Schlüssel für ein erfülltes Leben. Im Orientierungsrahmen für die frühkindliche BBuE in der Schweiz steht Folgendes: „Die frühe Kindheit hat einen hohen Stellenwert für die gesamte Biografie eines Menschen”. Und das wird weltweit auch durch zahlreiche wissenschaftliche Studien belegt. In vielen Ländern wurden darum in den letzten Jahren die Angebote für frühkindliche BBuE ausgebaut. Sie ist längst zu einem wichtigen Fundament für die spätere formale Bildung geworden. Auch die Vereinten Nationen (UN) haben in den letzten Zielen zur nachhaltigen Entwicklung 2030 festgelegt, dass alle Kinder Zugang zu hochwertiger, frühkindlicher BBuE haben sollen. Die UNESCO koordiniert die Bildungsziele in Aktionsanwendung 2030.“ Leider wird die frühe Kindheit, als elementare Entwicklungszeit, in der Schweiz weiterhin von der Politik viel zu wenig beachtet, wertgeschätzt und anerkannt. Nach meiner Erzieherausbildung (in Deutschland) reiste ich durch die Welt (Europa, USA und Australien) und erlebte verschiedene Einrichtungen und Konzepte, bis ich in die Schweiz kam. Ganz offen gesagt, begegnete mir hier im Jahre 2008 ein marodes, hinterwäldlerisches System für die frühkindliche BBuE, was mich zutiefst erschüttert hat. Also krempelte ich die Ärmel hoch und begann mit all meiner Begeisterungsfähigkeit, Freude und Tatkraft mich in das Thema einzuarbeiten und in meinem Einflussbereich notwendige Änderungen herbeizuführen. Schon damals fiel mir auf, dass es kein flächendeckendes Netzwerk für qualitativ hochwertige frühkindliche BBuE gibt. Im Jahre 2009 attestierte die schweizerische UNESCO Kommission einen Nachholbedarf innerhalb ihrer Grundlagenstudien für frühkindliche BBuE in der Schweiz. Eine Diskussion wurde daraufhin angestossen, doch ist es nun auch höchste Zeit, dass wirklich Taten folgen! Jetzt haben wir das Jahr 2022 und dem Potenzial der frühkindlichen BBuE wird nach wie vor in der Öffentlichkeit wenig 1

Aufmerksamkeit geschenkt. In meiner Wahrnehmung hat kaum einer - auch nicht im Bildungsministerium - begriffen, wie gewaltig dieses Thema drängt und wie elementar es ist. Frieden entsteht, wenn ich das Leben in mir selbst liebe, achte und geniesse.“ Julia Aurea Lucia Wegner Ich schreibe Ihnen diese Zeilen, weil es mir am Herzen liegt, mich für die frühkindliche BBuE in der Schweiz einzusetzen, so dass diese die Aufmerksamkeit und Umsetzung erhält, die sie braucht und welche die UNESCO zu Recht fordert. Ich wünsche mir inständig, dass das Potenzial, welches in den Kindern steckt, von Geburt an in Achtsamkeit und mit Würde behütet und gefördert wird. Wir wissen alle, dass wir die Hüter dieses Planeten sind, nun brauchen wir auch die BBuE, damit wir diese Aufgabe zum Wohle des Ganzen in die Hand nehmen. Folgendes habe ich aber während der letzten Jahre auf verschiedensten Wegen erlebt: Menschenkinder, die in der frühen Kindheit Achtsamkeit, Würde, Selbstwirksamkeit und Freude auf allen Ebenen erleben und vorgelebt bekommen haben, sind ohne Zweifel für diese Welt ein wahrer Schatz. Kinder, die authentische Vorbilder um sich herum haben, die ihnen den Raum zum Forschen, Entdecken und Erleben geben, sind wahre Meister im Lösen von Problemen. Kinder, die gelernt haben, sich selbst zu regulieren und in einer tragenden Gemeinschaft ihre Sozialfähigkeit entfalten, übernehmen gerne Verantwortung für alles, was sie umgibt. Kinder, die immer wieder vielfältige, tragende Bindungen aufgebaut haben, sind auch wahre Meister im sozialen Miteinander, haben ein unerschütterliches Selbstwertgefühl und trauen sich etwas zu. Der deutsche Neurobiologe Gerald Hüther bringt es auf den Punkt, in dem er sagt: “Jedes Kind hochbegabt!” Ich arbeite seit 2008 in einer Schweizer Kita und bin seit 2012 als Unternehmerin und Kita-Leitung in der Kita Kiriku AG in Luzern tätig. Ich kenne mich dementsprechend im Kanton Luzern besonders gut aus. Was ich in dieser Zeit in der frühkindlichen BBuE erlebt habe, ist viel und würde den Rahmen sprengen, darum möchte ich mich auf fünf Kernpunkte fokussieren: Kernpunkt 1: Kitas in der Schweiz - gut gemeint, aber ohne Stellenwert und tragende Säule in der Bildung Kitas sind aktuell zu teuer und Eltern haben immer weniger Vertrauen in bestehende Bildungsangebote “Über 60% der Kinder von 0-3 Jahren wuchsen 2014 ausschliesslich in der Familie, Nachbarschaft oder in privaten Arrangements z.B. Grosseltern, Nannies, Tageseltern auf. 20% nutzten teilweise und weitere 20% Vollzeit eine familienergänzende Betreuung durch Institutionen. Die privat zu tragenden Kosten für die ausserfamiliären Angebote gehören europaweit zu den höchsten. Die Frage, was Kinder in dieser Phase ihres Lebens lernen oder verpassen, wird öffentlich nicht gestellt. Viele glauben, das sei ausschliesslich eine private Angelegenheit. Andere setzen sich für Bildung und förderliche Bedingungen ein, welche auch vom Staat mitgetragen werden.” Quelle: https://www.unesco.ch/recht-auf-bildung-ab-geburt/ 13.2.2018 Wo stehen wir heute wirklich? Bleibt es weiterhin ein Traum für die kommenden 5-10 Jahre, oder machen wir uns endlich gemeinsam auf den Weg und kommen in die Umsetzung? Fakt ist, Eltern bringen ihre Kinder so wenig wie möglich, also gerade so viel wie nötig, in Kitas, da es sich finanziell nicht lohnt. Hierbei wird aber das Wohl des Kindes vollkommen ausser Acht gelassen. Ein Kind kann sich nur sicher fühlen und entwickeln, wenn es eine starke Bindung zur Betreuungsperson aufgebaut hat. Hierzu benötigt ein Kind aber eine regelmässige und klar strukturierte Zeit mit der Bezugsperson. Ohne diese Bildung ist es reiner Stress, sowohl für das Kind und die pädagogische Fachkraft, als auch für die Eltern. Aus diesem Grund haben andere Länder schon lange das System so angepasst, dass die Kinder täglich in die Kita gehen, nur unterschiedlich lang. Um so etwas umzusetzen, bedarf es einer absolut neuen Denke in der Schweiz. Es muss möglich sein, dass Eltern ihr Kind an 2

mindestens fünf halben Tagen in die Kita bringen können. Nur so kann die pädagogische Fachkraft die o.g. Bindung zu dem Kind aufbauen. Darüber hinaus gewinnt die Erziehungspartnerschaft zwischen Eltern und Fachkräften damit an Stabilität, welche die nötige Basis für die frühkindliche BBuE bildet. Ich sehe täglich überforderte Eltern; überfordert mit sich selbst, mit den Kindern, aber auch überfordert in der Gesellschaft ihren Platz zu finden. “In der Schweiz ist das ganze so paradox und wirtschaftlich getrieben, dass man als jung gebackene Eltern, egal wie alt man ist, sich nicht unterstützt oder ernst genommen fühlt!”, so die Worte von Eltern. Der Arbeitgeber will i.d..R. nicht, dass der Mann weniger als 100% arbeitet, die Frau will gerne mehr als 40% arbeiten, bekommt aber keinen Job, bei dem es sich überhaupt lohnt, arbeiten zu gehen, da der Lohn sofort von den Kitabeiträgen aufgezehrt wird. Das ist absolut unbefriedigend und traurig! Eltern kommen ihrem Erziehungs- und Bildungsauftrag nicht nach Ich erlebe einen starken Anstieg von Helikopter-Eltern, welche damit überfordert sind, den Kindern Grenzen zu setzen und ihnen eine Rhythmus zu geben. Darüber hinaus geben Eltern Kindern die Verantwortung von Entscheidungen, obwohl diese den vollen Umfang der Situation noch nicht ansatzweise überschauen können. Eltern können nicht mehr einschätzen, was sie ihren Kindern zutrauen können. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, das bekannte Konzept der Erziehungspartnerschaften zwischen ausgebildetem KiTa- Fachpersonal und den Eltern umzusetzen. Die regelmässigen Entwicklungsgespräche sind eine tragende Säule für die Eltern, um zu Hause ihre Kinder zu fordern, aber nicht zu überfordern. Weiterführende Quellen: https://www.24vita.de/verbraucher/helikopter-eltern-kinder-erziehung-verhaltensstoerung-albert-wunsch-kritik-resilienz -neuss-91385052.html https://www.apa.org/pubs/journals/releases/dev-dev0000536.pdf Kernpunkt 2: Die Potenzialentwicklung der Kinder leidet ohne Kita aufgrund von sprachlichen Barrieren in den Familien Wenn Eltern die Landessprache nicht beherrschen sind Kinder die Leidtragenden Wenn man sich eine klassische Familie in meiner Kita (bei 70 Kindern) anschaut, so kommt i.d.R. ein Elternteil aus der Schweiz und der andere aus einer anderen Nation. Damit erlebt das Kind ein gigantisches kulturelles Dilemma, da die Eltern aus so unterschiedlichen Wertesystem kommen, dass es sich nur schwer orientieren kann. Und dann kommt die Sprache hinzu. Die meisten Kinder wachsen mit mindestens zwei bis drei Sprachen auf. Oft sprechen viele Eltern nur ein schlechtes Englisch, was dem Kind aber als Grundlage zur Sprachentwicklung (Familiensprache) dient, da die Eltern untereinander häufig nur in Englisch kommunizieren können. “Die Kommunikation mit anderen Menschen ist für die Entwicklung des Ich-Bewusstseins für den Erwerb von sozioemotionalen Kompetenzen sowie für den Erwerb von Wissen zentral”. Quelle: Orientierungsrahmen (Seite 41) In der Praxis erleben wir, wie viel Zeit, Mut und Kraft es braucht, die Kinder zu begeistern, mit ihnen zu kommunizieren und einen Weg zu finden, sich immer besser auszudrücken und ihre Bedürfnisse zur Sprache zu bringen. Besonders bei den Jungs erleben wir seit Jahren einen enormen Entwicklungsrückgang der sprachlichen Entwicklung. Was passiert, wenn ein Kind die eigene Muttersprache nie richtig lernt und sich dementsprechend auch nie präzise ausdrücken kann? Neurologisch gesehen kommen diese Kinder niemals auf der Niveau, wie Kinder, die mit ihrer Muttersprache aufgewachsen sind. Und genau deshalb bildet die Kita eine unersetzbare Grundlage für die frühkindliche Sprachentwicklung. 3

Kernpunkt 3: Fachpersonen wissen von ihrem Betreuungsauftrag, aber nur selten von ihrem Bildungs- und Erziehungsauftrag. Alle Angebote der familien- und schulergänzenden BBuE haben mit Blick auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gesellschaftlich und volkswirtschaftlich einen immensen Nutzen, der künftig noch wichtiger werden wird (Stichwort: Fachkräftemangel). Damit die Angebote auch für Kinder einen grossen Nutzen haben, müssen sie qualitativ hochstehend sein. Es gilt: Je höher die pädagogische Qualität, desto grösser der Nutzen (vgl. Schwab Cammarano & Stern 2020). Ich verweise auch auf das “Positionspapier zur Finanzierung pädagogischer Qualität in Kindertagesstätten”. Hier wird genau dargestellt und begründet, warum die Investition in die pädagogische Qualität mindestens so einen wichtigen Stellenwert hat, wie die Senkung der Elternbeiträge. Quelle: https://www.kibesuisse.ch/fileadmin/Dateiablage/kibesuisse_Publikationen_Deutsch/2020_kibesuisse_Positionspapier _Qualitaet_Finanzierung.pdf Das heisst für mich, dass Kinder von Fachpersonal gebildet, erzogen und betreut werden sollten, welche den Orientierungsrahmen nicht nur verstehen, sondern ihn auch umsetzen können. Ich habe in den vergangenen zwölf Jahren seltenst eine/n FaBe Betreuung Kind gefunden, welche/r den Orientierungsrahmen selbstständig lesen und verstehen sowie daraus eigene Ideen zur Umsetzung ableiten kann. Ich erlebe, dass die ausgebildeten Fachkräfte immens in der Umsetzung auf vielfältige Art unterstützt werden müssen. Vor sechs Jahren haben wir in unserer Kita die Entscheidung getroffen, dass wir auch Auszubildende der Höheren Fachschule für Kinderpädagogik einstellen. Die Stadt Luzern hat uns damals als “mutig” bezeichnet, weil wir Freude hatten und die Notwendigkeit gesehen haben, jemanden aus dem tertiären Bildungsniveau auszubilden. Rückwirkend betrachtet war das eine der besten Entscheidungen im Personalbereich, da diese Fachkräfte den Orientierungsrahmen verstehen, ihn umsetzen können und hervorragende Führungskräfte sind. Heute wünschen wir uns mindestens eine/n HF pro Gruppe. Ich setzte sogar noch einen drauf und sage, es braucht zudem dringend ausgebildetes Personal aus anderen Fachgebieten, welche fester Bestandteil eines Kita Teams sein muss, wie zum Beispiel eine Hebamme, eine Fachfrau/-mann Gesundheit, Familienberater, Sozialarbeiter, Heilpädagogen - nur so wird Inklusion und Chancengleichheit auch möglich. Kernpunkt 4: Fehlende Attraktivität des Berufsbildes Fachfrau- / Fachmann Betreuung Die Erfahrung zeigt, dass ein Teil des Personals die Branche frühzeitig verlässt, da die Arbeitsplatzattraktivität zu wenig hoch ist. Ohne diese Fachkräfte kann aber eine gesteigerte Nachfrage aufgrund der geplanten Elternbeitragssenkung gar nicht bewältigt werden. Warum verlassen denn die besten Mitarbeiter die Branche in der Regel frühzeitig? Die Rahmenbedingungen in der Branche führen dazu, dass das Fachpersonal seine Arbeit nicht so ausführen kann, wie es sich dies von Herzen wünscht. Ein wichtiger Faktor in dem Zusammenhang ist immer wieder das Bedürfnis, die Kinder in Ruhe beobachten zu können, was im Orientierungsrahmen wie folgt beschrieben wird: “Das regelmässige und systematische Beobachten, Reflektieren und Dokumentieren der Bildungs- und Entwicklungsprozesse von Kindern gehört zu den Kernaufgaben von Erziehung.” Quelle: Orientierungsrahmen (Seite 52) 4

Pädagogisches Handeln: “Beobachtungen, Reflektionen und Dokumentation findet regelmässig und kontinuierlich im Alltag statt, sind prozesseorientiert angelegt und machen die Bildungs und Entwicklungsverläufe von Kindern für alle Beteiligten, die Kinder, die Eltern und die Erziehende transparent. “ Quelle: Orientierungsrahmen (Seite 54) Liebend gerne würden unsere Fachkräfte sich für diese Elemente Zeit nehmen. Dies gelingt trotz höher gesetztem Personalschlüssel doch meistens nur mit sehr viel Druck. Es ist auf Grund von personellen Engpässen fast unmöglich, sich im Kita Alltag die Zeit zu nehmen, um diese Themen professionell umzusetzen. Dies führt bei vielen Mitarbeitern zu Frust, denn sie erleben, wie wertvoll das regelmässige und systematische Beobachten im Zusammenhang mit dem Reflektieren und Dokumentieren ist. Ihnen ist bewusst, nur so können sie die Bildungs- und Entwicklungsprozesse der Kinder optimal erfassen und die nötigen Massnahmen gemeinsam erarbeiten, um dem Kind den Rahmen zu bieten, ihr grösstmögliches Potenzial zu entfalten. Ein weiterer wichtiger Faktor ist, dass Fachkräfte gerne nur 80% arbeiten würden, sie dann aber so schlecht entlohnt würden, dass sie ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten können. Von der Work-Life-Balance wäre das ideal. Die Mitarbeiter, welche 80% arbeiten, bleiben erfahrungsgemäss länger in der Kita, haben viel mehr Lebensfreude und Energie, sind weniger krank und leben ihren Beruf intensiver, was sich auf das ganze Team sehr positiv auswirkt. Kernpunkt 5: Kindgerechte und natürliche Oasen sind Mangelware Ein anregungsreicher Raum als "dritte Erzieher" Die Raumgestaltung sollte Anlässe für soziale Interaktion, Kommunikation, Gespräche und den Austausch der Kinder untereinander bieten und nicht die Kinder unruhig, unzufrieden und aggressiv werden lassen. Wenn ich als Expertin die Fachgespräche im Frühjahr abnehme, habe ich immer wieder das Vergnügen, die Räumlichkeiten und auch das Bildungsmaterial der Kitas in der Umgebung von Luzern zu besichtigen. Auch da ist in den letzten 15 Jahren wenig investiert worden. Damit treffen wir in Kitas überwiegend Räumlichkeiten an, die sich nicht positiv auf die Atmosphäre und Entwicklung der Kinder auswirken. Institutionen mit einer weltweit anerkannten Pädagogik, wie die Waldorfpädagogik oder Montessori, haben unglaublich gutes Bildungsmaterial und andere Kitas haben kaputten Plastikmüll in der Ecke auf einem Haufen liegen, mit dem die Kinder spielen sollen. Es ist grausam! Da gibt es Puppen, die keinen Kopf mehr haben oder von oben bis unten vollgekritzelt sind und keine Blumen auf dem Tisch. Die Räume strahlen eine Kühle aus, dass man eigentlich als Erwachsener gerade rückwärts wieder raus laufen möchte. Lüften kann man nicht, weil es eine Wohnung ist, die umfunktioniert wurde und leider direkt an der Hauptstrasse liegt. Von einem Garten und dem Bezug zur Natur kann man nur träumen. Da die Vorkehrungen zum “sicheren” Rausgehen mit den Kindern inzwischen so komplex sind, gehen viele Kitas mit ihren Kindern gar nicht mehr vor die Tür oder sind zeitlich so unter Druck, da nur wenig Raum zwischen den Schlaf- und Essensphasen bleibt. Zudem werden den Kindern so viele Regeln in den Kopf getrommelt, dass sie sich draussen vor lauter Angst kaum zu bewegen wagen, bis sie dann auf einem Spielplatz angekommen sind. Da habe ich in den USA in Washington DC mehr Freiheiten erlebt! Im Orientierungsrahmen steht unter Bildungsprozesse anregen und Lernumgebung gestalten: “Die Erwachsenen moderieren die Bildungsprozesse der Kinder. Sie sind für die Gestaltung einer anregungsreichen Lernumgebung verantwortlich, in der die individuellen Interessen der Kinder berücksichtigt werden.” Quelle: Orientierungsrahmen (Seite 54) 5

Diese wunderbaren Ziele können unter den oben genannten Umständen nur in einem sehr geringen Masse umgesetzt werden. Das berührt mich sehr und macht mich auch traurig! Manchmal Frage ich mich, warum Eltern 140 Franken pro Tag Kita Beitrag zahlen, wenn ihr Kind Migros Budget Produkte vorgesetzt bekommt, in dunklen, unbelüftbaren mit Halogenlampen beleuchtetn Räumen betreut wird und vom Plastikspielsachen aus China umgeben ist. Und genau das, fragen sich die Eltern in der Schweiz (!) auch immer öfter und entscheiden sich dann gezielt für andere Betreuungsformate. Es muss dringend in die Räumlichkeiten der Kitas investiert werden, denn sie sind Initiatoren zum Handeln und Experimentieren und bilden eine wesentliche Grundlage für die Bildungs- und Entwicklungsprozesse. Es ist also an der Zeit: Ich, Julia Wegner, begrüsse es, dass Ihre Kommission die laufende Anstossfinanzierung für die familien- und schulergänzende Kinderbetreuung in ein neues Bundesgesetz überführen möchte. Sehr wichtig ist mir, dass die Vorlage sowohl die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit als auch die Verbesserung der Chancengerechtigkeit (Inklusion) der Kinder als Kernziele verfolgt. Ein quantitativ ausreichendes, qualitativ hochstehendes, chancengerechtes und für die Eltern bezahlbares Angebot im Bereich von BBuE bedarf einer umfassenden politischen Entscheidung. Um eine nachhaltige Wirkung zu entfalten, braucht es signifikante Investitionen und ein neues Bewusstsein auf allen föderalen Ebenen. Deshalb fordere ich:

  1. Dass die Schweiz die frühkindliche BBuE der Kinder umgehend ins Zentrum der Bildungspolitik stellt,

  2. Dass die Begeisterung am Entdecken, Lernen und Gestalten, welche den Kindern angeboren ist, durch die frühkindliche BBuE in der Schweiz erhalten bleibt und geschützt wird,

  3. Dass die Schweiz als Vorbild für eine globale Veränderung in der frühkindlichen BBuE neue, innovative Massstäbe setzt, welche die Kinder in Würde und Liebe von Geburt an in ihrer Entwicklung unterstützen,

  4. Dass sich der Bund nachhaltig an der Reduktion der Elternbeiträge für Kitas beteiligt,

  5. Dass für die pädagogische Qualitätsentwicklung und die Fachkräfte genügend finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden,

  6. Dass jede Stadt geeignete Innen- und Aussenräume für Kitas bereitstellt oder fördert.

Herr Kommissionspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, gerne bringe ich mich aktiv in den Diskurs ein und stehe für persönliche Gespräche zur Vertiefung der skizzierten Themen zur Verfügung. Mit freundlichen Grüssen aus Luzern, gez. Julia Aurea Lucia Wegner Geschäftsführerin Kiriku AG, Luzern Berufsbildnerin ÜK-Kursleiterin (ZODAS) Expertin Fachfrau- / Fachmann Betreuung Anlage: + Warum im Kanton Luzern eine Kita betriebswirtschaftlich herausgefordert wird 6

Anhang: Warum im Kanton Luzern eine Kita betriebswirtschaftlich herausgefordert wird Folgende Parameter haben sich in der Stadt Luzern in den letzten Jahren negativ verändert, so dass es herausfordernd ist, eine Kita wirtschaftlich erfolgreich zu führen: Neue Vorgaben:

  1. Praktikanten dürfen nur 6 Monate angestellt werden, wenn sie anschliessend keinen Ausbildungsplatz erhalten.

  2. Ausbildungsplätze hängen am Fachkräfteschlüssel im Betrieb. Folge: Mehr Fachkräfte nötig, um die Lehrlinge professionell auszubilden.

  3. Erhöhung der Essenspauschale für Mitarbeiter durch die AHV verursacht Mehrkosten.

  4. Personalschlüssel an den Randzeiten wird strenger bewertet und es werden mehr Fachkräfte im Betrieb benötigt.

  5. Kitas müssen eine pädagogische Leitung mit Tertiärabschluss haben je 30 bewilligter Plätze.

  6. Im Kanton Luzern besteht auf Ebene der Gemeinden keine einheitliche Regelung hinsichtlich von Betreuungsgutscheinen. Das führt absurderweise dazu, dass Eltern aus dem angrenzenden Kriens, die ihre Kinder in einer Kita in der Stadt Luzern haben, deutlich weniger Subventionen erhalten.

Weitere Effekte:

  1. FaBe`s werden abgeworben von Hort und Kindergarten (gefördert durch unterschiedliche Regelungen auf Kantonsebene) aufgrund besserer Löhne, mehr Urlaub, besseren Arbeitsbedingungen und mehr Anerkennung. Folge: Um das ausgebildete Personal in der Kita zu halten, müssten die Löhne der FaBe`s denen der Kindergärtner gleichgestellt werden.

  2. Da die Tarife der Kitas stetig erhöht werden müssen, wird die Kita zum absoluten Luxusprodukt.

Die o.g. Vorgaben erscheinen einzeln betrachtet ihre Notwendigkeit zu haben, führen aber in der Summe zu einer sehr herausfordernden Situation für die Kitas. Es hat auch den Anschein, dass die einzelnen (neuen) Vorgaben keinesfalls unter den Beteiligten abgestimmt worden sind.





 
 
 

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Für die Kinder der neuen Zeit und all jene, welche die Ehre haben sie ein Stück zu begleiten. 

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